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Syrien am Abgrund – und eine Frau sieht zu


Geschichte ist das, woraus die Menschen nichts lernen. Ein Satz, dessen traurige Wahrheit sich in Syrien zurzeit wieder einmal auf grausame Weise bestätigt. Wahr ist aber die alte militärische Weisheit, dass ein Feind in den eigenen Reihen gefährlicher ist, als Hunderte gegenüber. Der syrische Präsident Baschar al-Assad hat mehr als einen Feind im eigenen Land. Es sind Tausende, die sich gegen den Diktator, seine Politik und seine Willkür zur Wehr setzen. Ein Bürgerkrieg fegt über das Land hinweg und entfaltet seine implosive, zerstörerische Kraft. Täglich füllen Berichte über Massaker auch an der Zivilbevölkerung die Medien. Mit brutaler Gewalt wird gegen die Oppositionellen vorgegangen. Neuerdings nicht nur mit Artillerie, sondern auch mit Kampfhubschraubern russischer Herkunft aus der Luft.

Doch Assads mit Abstand grausamste Waffe sind die Kinder seines Landes. Nach altbewährter Methode werden auch in dieser Auseinandersetzung  die schwächsten, wehrlosesten Mitglieder der Gesellschaft instrumentalisiert und für die Zwecke des Diktators missbraucht. Irak, Afghanistan, Vietnam – die Liste lässt sich fortsetzen. Im Dritten Reich wurden Kinder ebenso benutzt, um Eltern gefügig zu machen, wie unter Stalins Gewaltherrschaft. In der DDR wurden Familien auseinander gerissen, wenn die Eltern nicht linientreu dachten und handelten. Kinder als Schutzschilde einzusetzen, hat in Diktaturen eine lange und traurige Tradition. Bedarf es eines deutlicheren Zeichens der Inhumanität und Schwäche dieses  Machthabers?

Wo aber ist die moderne, kluge, gebildete Frau an der Seite Assads - Asma al-Assad, die Mutter seiner drei Kinder? Die in England geborene und aufgewachsene First Lady, die als Lady Di des Orients gilt, war angetreten, das Gesicht Syriens zu verändern und Herzen zu öffnen. Die Ex-Bankerin votierte bei ihren zahlreichen öffentlichen Auftritten stets wortreich für die Kinder des Landes, für Bildung und Ausbildung, weil davon Syriens Zukunft abhinge. Sie wollte Syrien in der Phase der Transition aktiv begleiten und das neue Gesicht Syriens sein. Aber hat dieses Gesicht auch eine Stimme? 

Vielleicht ist es das, was in diesem Feuerwerk der Grausamkeiten gegen das eigene Volk am meisten erschüttert - die Schweigsamkeit und Tatenlosigkeit dieser Frau. Wie kann eine Mutter von drei Kindern, die ihren Mann in einem Interview als sehr guten Vater bezeichnete, diesem durch die Befehle ihres Mannes veranlassten Töten der Kleinsten tatenlos und schweigend zusehen? Der mutige Aufruf der Frauen des deutschen und britischen UNO-Botschafters im Internet scheint keinerlei Resonanz im Denken geschweige denn im Herzen und Handeln Asma al-Assads ausgelöst zu haben. Sie begnügt sich offenbar weiterhin mit der Rolle der gutaussehenden, schweigenden Begleiterin an der Seite ihres Mannes.

Doch wer wird sie und ihre drei Kinder vor dem Zorn der Oppositionellen schützen, sollten sie die Oberhand gewinnen? Wer wird dafür Sorge tragen, dass sie nicht Opfer der in diesen Ländern durchaus noch üblichen Sippenhaft werden und sich die Gräuel ihres Vaters an ihnen brutal rächen? Wer wird Mitleid mit einer Frau haben, der dieses Gefühl als Landesmutter abhanden gekommen zu sein scheint. Vermag sie sich wirklich nicht vorzustellen, dass es ihre Kinder sein könnten, die gefoltert, geschlagen, misshandelt und getötet werden? Wer Kinder tötet, vernichtet Zukunft. Wer dabei tatenlos zusieht, zerstört sich selbst.

Dabei könnte Geschichte auch ganz anders geschrieben werden. Wenn Männer die Säbel rasseln lassen, dann ist nicht selten die Stunde der Frauen gekommen, dem sinnlosen Morden ein Ende zu setzen – mit weiblicher Diplomatie, Geschick und Einflussnahme. Wenn die Mutter Asma al-Assad sich mit den Müttern des Landes verbünden würde, könnte dies eine große, positive und revolutionäre Macht entfalten. Es bleibt zu hoffen, dass Frau Assad dies noch rechtzeitig begreift, es als ihre Aufgabe begreift, auf ihren Mann Einfluss zu nehmen – zum Wohle des Landes und der Kinder. Viel Zeit bleibt ihr nicht mehr, der zurzeit hässlichen Fratze Syriens, eine neues Gesicht und eine neue Stimme zu geben. Das Schicksal Gaddafis und seiner Familie sollte ihr dabei Warnung und Mahnung sein. Denn auch das ist ein ungeschriebenes Gesetz der Geschichte – dass sie sich gelegentlich wiederholt.
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