ole's BLOG
Header

Quo Vadis – Hellas?

Seit Wochen beschäftigt uns Griechenlands Finanzmisere und deren Folgen. Das Stück, das gegeben wird, mutet an wie eine klassische griechische Tragödie in mehreren Akten, mit ungewissem Ausgang – aller derzeitigen Wahrscheinlichkeit nach aber tragisch. Aufschreie hier, Aufschreie dort, das Tauziehen über die Finanzhilfen der Europäischen Union, die Sparpläne der griechischen Regierung und die Folgen für den Steuerzahler füllen landauf landab die Medien. Doch keiner spricht vom Leid der Menschen in diesem Land.

Keiner erhebt die Stimme oder ergreift Partei für die Menschen, die diese Krise am härtesten trifft – Familien, alte Menschen, Kranke.

Da ist die fünfköpfige Familie, beide Elternteile inzwischen ohne Job. Sie wissen nicht, wie sie ihre drei Kinder ernähren sollen und bringen sie deshalb in ein SOS-Kinderdorf, damit sie nicht verhungern. Die Eltern versuchen irgendwie über die Runden zu kommen – mit Gelegenheitsjobs und Essen aus den Lieferungen der diversen Hilfsorganisationen. Das ist weder ein Einzelfall, noch persönlichem Versagen zuzuschreiben. Die SOS-Kinderdörfer melden seit Wochen verstärkt Aufnahmegesuche.

Oder die Krankenschwester, deren Wochenarbeitszeit mit Beginn der Krise von 35 Arbeitsstunden pro Woche auf fünf reduziert wurde, weil nur noch medizinisch absolut notwendige Operationen und Behandlungen durchgeführt werden. Da sie nicht direkt beim Krankenhaus angestellt ist, sondern bei einer privaten Firma, die medizinisches Personal vermittelt, bekommt sie deutlich weniger Aufträge. Auch sie weiß häufig nicht wovon sie leben soll. Der Kühlschrank bleibt ebenso leer wie der Magen, da das Geld fehlt, die teuren Lebensmittel zu bezahlen. Sie übersteht diese schwere Zeit dank Hilfspaketen und finanziellen Zuwendungen von Freuden aus Deutschland. Dort hat sie einmal ihren Beruf erlernt, viele Jahre gelebt und Freunde gefunden. Dass es nun ausgerechnet die Deutschen sind, die sich bei der Rettungsaktion für Griechenland immer wieder querstellen, macht sie nicht wütend. Wie viele andere Griechen auch, weiß sie, dass die Probleme in Griechenland entstanden sind und auch nur dort gelöst werden können. Wütend macht sie, dass die sogenannte Elite des Landes sich weitgehend nicht an der Lösung der Situation beteiligt. Sie haben das in Griechenland verdiente Geld im Ausland gut angelegt und überlassen nun den Scherbenhaufen den Finanzjongleuren. Das treibt viele Leute um - und auf die Palme.

Wie auch den Kioskbetreiber von nebenan. Seit vielen Jahren betreibt er sein kleines Unternehmen, das man im Rheinland liebevoll „Büdchen“ nennen würde. In der rheinischen Industrie hatte er viele Jahre gelebt und gearbeitet, bevor er mit seinen Ersparnissen zurück in die griechische Heimat ging. Zunächst fand er auch Arbeit und konnte das, was er in Deutschland gelernt hatte, einbringen. Doch dann wurde er älter und die Arbeit weniger. Also eröffnete er sein Büdchen nach rheinischem Modell mit Zeitungen, Tabak, Kaffee zum Mitnehmen, Süßigkeiten und den nötigsten Dinge für den täglichen Bedarf. Damit kam er einige Zeit ganz gut über die Runden. Doch nun bleiben die Kunden fort. Keiner hat mehr Geld für „Luxus“ übrig. Stattdessen wurde er in den vergangenen Monaten zweimal ausgeraubt und bedroht. Nun macht er dicht. Das Leben in Athen ist zu gefährlich geworden.

Drei Beispiele – drei Schicksale. Doch es sind keine bedauernswerten Einzelfälle besonders lebensunfähiger Pechvögel, sondern verschiedene Gesichter einer nationalen Katastrophe, die sich mitten in Europa, sozusagen vor unserer Haustür abspielt. Jeden Tag aufs Neue seit vielen Monaten.

Das Land, in dem die Wiege der Demokratie stand, in dem Sokrates, Aristoteles und andere weltberühmte und wegweisende Philosophen lehrten, steht am Abgrund und droht die eigenen Bürger aber auch Teile Europas mit hinab zu reißen. 

Was ist zu tun? Dass Griechenland Hilfe benötigt, wird keiner ernsthaft  bestreiten. Doch wie kann diese Hilfe aussehen? Es ist in den vergangenen Monaten zu oft  von Einmischung und externer Kontrolle die Rede gewesen. Von den arroganten europäischen Nachbarn, die ihre Kredite an Bedingungen knüpfen und diese auch überprüft wissen wollen. Von nationaler Selbstbestimmung und Identität. Genützt hat diese Debatte niemandem – am allerwenigsten den Menschen.

In Deutschland und auch in anderen Ländern hat sich seit vielen Jahren ein Prinzip bewährt, das man Hilfe zur Selbsthilfe nennt. Was im Klartext nichts anderes bedeutet, als den griechischen Menschen in der akuten Situation zu helfen, mit Geld, mit Rat und Tat, mit Erfahrung und mit Knowhow, mit Mitgefühl und Menschlichkeit, damit sie in absehbarer Zeit in der Lage sind, sich selbst zu helfen. Von den Griechen sind im Gegenzug ernsthafte Anstrengungen zu erwarten, die notwendigen Maßnahmen zur Steigerung der Wirtschaftskraft und langfristige Sparmaßnahmen umzusetzen. Dies erfordert einen breiten gesellschaftlichen Konsens statt politischer Polemik. Die europäischen Nachbarn können und wollen die Anstrengungen Griechenlands unterstützen, die Hauptlast wird aber in Griechenland und von den Griechen zu tragen sein. Wir können Wege aufzeigen, aber gehen muss Griechenland sie selber – nicht allein, aber selbständig.
Kommentare
vorherige Einträge ... Footer